8. - 14. Dezember --- 42. - 48. Reisetag
Donnerstags verliess ich den Reithof “il cannuccio” um weiterzuziehen. Der Weg führte mich an Siena vorbei, damit ich nicht durch die Strassen reiten musste. Die Beschaffenheit des Bodens änderte stark an diesem Tag. Ich ritt los auf schmalen, felsigen Waldwegen und traf im Flachland auf Kies- und Teerstrassen. Dann, weder sanfte Hügel auf- und abreitend, waren alle Strassen lehmig. Und ich meine nicht einfach einen Boden mit hohem Lehmanteil, dies war purer Lehm! Ich zog sofort den Pferden die Hufschuhe ab, und blieb selber fast im Matsch stecken als ich abstieg. Die Tiere versanken 10 cm tief in dieser Erde, und zogen unter viel Kraftaufwand und mit einem schmatzenden Geräusch die Hufe wieder aus dem Schlamm. Ich hatte noch keinen Schlafplatz ausgesucht, hielt Ausschau nach einem Dach, einem Bauernhof, einer Ruine. Und da sah ich, kurz vor dem Dorf Monteroni d’Arbia, auf meiner Rechten riesige Hallen, bis Obenhin voll mit Heuballen, und auf meiner Linken einen verlassenen Stall, mit vier Boxen, zwei kleinen Weiden und einem Karussell. Bei den Heu-Hallen hörte ich das Geräusch eines Traktors und ich schlug diese Richtung ein. Zwischen riesigen Maschinen traf ich auf Marco, der mir liebevoll weiterhalf. Bis der Besitzer des Stalles auf der anderen Seite der Strasse angefragt wurde, durften die Pferde von den Heuballen probieren. Erstaunt erfuhr ich, dass Marco dieses Heu extra für Pferde herstellt! Und wahrhaftig, ich habe noch nie so schönes Heu gesehen… Er liefert es an die umgebenden Ställe, für die Athleten, die Renn-, Spring- und Polopferde. Und so quartierte ich mich im benachbarten Stall ein, zwei Boxen für die Pferde, eine für mich und Sparta. Marco brachte uns Heu, Stroh und Hafer.
Auch am nächsten Tag wurden wir liebevoll umsorgt. Da das Wetter wieder katastrophal schlecht war, blieben wir, und ich wurde von dem Bauern und ein paar seiner Freunden eingeladen mit ihnen in einer Halle zu grillieren. Wir verbrachten den ganzen Tag dort, assen leckeres Fleisch, tranken den selbstgemachten Wein und kosteten das hauseigene, frische Olivenöl. Abends, fing einer der jungen Bauern an Tagliatelle zu machen, dazu gab es leckeres Ragù und noch mehr Wein. Sparta schlich glücklich um die Stühle und schleckte alles was hinuntergefallen war auf, die Knochen vom Mittag hatte sie schon lange aufgegessen.
Und so reiste ich erst am nächsten Tag weiter. Mit Marcos Hilfe putzten wir die Boxen und fegten alles wieder sauber. Die Sonne schien kräftig, doch der kalte, eisige Wind, die Tramontana, fegte in Böen über uns hinweg und durch alle Kleider hindurch. Dies reizte nicht nur mich, sondern auch meine Pferde. Genervt und erschöpft nach vier Stunden Eiseskälte, fanden wir Zuflucht bei “il destriero”, ein Reiterhof der von Gabi übernommen wurde, und nun erfolgreich mit vielen Pferden, Kindern, Erwachsenen und Touristen arbeitet. Ich konnte im Wohnwagen übernachten, und reiste am nächsten Tag mit strahlendem Sonnenschein und ohne Wind ab, Richtung Süden. Dieser Tag war der schönste bisher. Wenn alle Tage so wären wie dieser, würde ich für immer und ewig weiterreiten. Am Coop in Buonconvento band ich die Tiere an die Parkplatz-Lampen, und machte meine Einkäufe. Leider hatte ich nicht viel Zeit, da ich kurz vor Ladenschluss angekommen war. Somit suchte ich nur das Nötigste: Brot, Suppen, Reis, Erbsen.
Wieder in der sanften Landschaft, überholte mich ein Auto, welches stark abbremste als es neben mir war. Kurz darauf beschleunigte es wieder und verschwand hinter einer kleinen Anhöhe. Als ich diese hinaufstieg, erwarteten mich oben drei Menschen mit professionellen Kameras, die hunderte Bilder von uns machten. Wir kamen ins Gespräch und ich erfuhr dass sie Hobbyfotografen sind. Sie fragten mich über sie Reise aus und liessen mich dann weiterziehen, Sparta, Rhiannon und Bamiro hatten die Zeit genutzt um sich ein wenig auszuruhen.
Nach einer viertel Stunde überholte mich wieder ein Auto, und hielt kurz danach an. Es stieg ein junger Mann aus, der uns im Vorbeiziehen seinerseits ein paar Fragen stellte, bevor er weiterfuhr. Doch nach ein paar Anwesen traf ich ihn wieder, und er lud mich zum Kaffee ein. Ich trat in das Haus seiner Freunde, die mich schon erwarteten. Als ich erwähnte dass ich auf der Suche nach einem Schlafplatz war, luden sie mich sofort ein, bei ihnen zu bleiben. Ein Sofa für mich, eine Decke neben dem Ofen für Sparta, eine saftige Weide für Bamiro und Rhiannon, was konnte ich mir mehr wünschen? Und seit diesem Abend bin ich hier, jeden Tag eine neue Ausrede, eine neue Bitte von ihnen, um zu bleiben. Vorgestern war ein Kindergeburtstag, und das grösste Geschenk, so sagten sie, sei es gewesen auf den Pferden reiten zu dürfen. Ich hatte riesigen Spass mit ihnen. Gestern wurde in den Tälern um das Anwesen gejagt, die Pferde und Sparta waren zu unruhig um weiter zu ziehen. Und so bin ich heute morgen immer noch hier, in einer halben Stunde fange ich an die Pferde zu putzen. Ich werde einen Umweg machen und ein Weingut eines neuen Freundes besuchen, der mir für die nächste Saison ein Jobangebot gemacht hat. Sie brauchen jemanden der sich um ihre Kaltblüter kümmert, der mit ihnen die biodynamischen Weinberge pflegt, Kutschfahrten und Reitausflüge mit Touristen macht und das junge Pferd ausbildet. Eine sehr spannende Arbeit, in einer der schönsten Gegenden der Toskana. Wer weiss…
Es waren unvergessliche Tage hier, mit Emilio, dem ich auf der Strasse begegnete, mit Bea, Renzo und Bruno, die hier wohnen, und den Eltern, die im angrenzenden Hausteil sind. Sie werden immer in meinem Herz bleiben.